Kernbeißer an der Futterstelle im Garten zu sehen, ist ein besonderes Erlebnis. Leider kommen diese ausgesprochen hübschen und attraktiven Vögel nur sehr selten in meinen Garten. Der Umstand, dass dies oft im fortgeschrittenen Winter, wenn Eis und Schnee die Landschaft bedecken, der Fall ist, machen die Beobachtungen draußen nicht wirklich einfacher. Trotzdem habe ich irgendwie Gefallen daran gefunden, besonders bei extremen Temperaturen draußen in meinem Tarnzelt zu sitzen. Ich genieße die Stille, wenn keine Spaziergänger unterwegs und nur noch die Geräusche der Natur zu hören sind. Es gibt keine Regeln, wann die Vögel kommen, und schon gar nicht für solche seltenen Gäste wie den Kernbeißer. Ein Bauchgefühl und der Wunsch, dieses Tier endlich wieder beobachten zu wollen, lassen mich - wie in den vergangenen Tagen - oft stundenlang draußen auf ihn warten. Nach einigen Tagen ohne Kernbeißersichtungen hatte ich Ende Januar, an einem Tag, an dem es wieder einmal heftig gescheit hatte, das Glück, ihn zu erleben. Wenn solche lang ersehnten Momente endlich da sind, fällt es mir immer noch schwer, auf den Auslöser zu drücken. Vielmehr verharre ich damit diesen Vogel zu beobachten, besonders wenn mich dieses Tier auch fixiert.
Es ist ein Männchen, das sich an der Futterstelle niedergelassen hat. In meinem Versteck, in dem ich mich absolut still verhalte, bin ich außergewöhnlich dicht an dem Tier. Ich kann den prächtigen Vogel nicht nur sehen, sondern auch hören. Es ist ein Erlebnis der ganz besonderen Art! Die Farben seines Gefieders leuchten in dem weißen Schnee besonders kräftig. Unverwechselbar ist die gedrungene Gestalt mit dem großen Kopf und dem dicken klobigen Schnabel.
Jetzt im Winter ist der Schnabel hornfarben und hat eine kleine dunkle Spitze, im Sommer ist der Schnabel dunkel gefärbt. Umrahmt wird der Schnabel von einer schwarzen Gesichtsmaske, die sich deutlich von dem braungefärbten Kopf abhebt. Ein graues Halsband und dunkle metallisch glänzende Flügel zieren den ansonsten überwiegend braunen Vogelkörper.
Es dauert nicht lange, bis der Kernbeißer die Samenkörner entdeckt hat. Besonders die dicken Sonnenblumenkerne sucht er sich heraus. Er ist nicht alleine an der Futterstelle.
Längst sind Meisen, Amseln, Rotkehlchen und Spatzen auch gekommen. Mit eindeutigen Gesten machen sie dem großen Finkenvogel klar, dass sie ihn hier nicht gerne sehen. Den Kernbeißer beeindruckt das aber nicht besonders, er behauptet seinen Platz an der Futterstelle.
Ich bin so dicht an dem Kernbeißer, dass ich auch hören kann, wie der Vogel die Sonnenblumenkerne knackt. Er dreht den Samen so geschickt in seinem Schnabel herum, dass er die Schale mit einem lauten Knacken zerplatzen lässt. Den energiereichen Samen schluckt er herunter, die ungenießbaren Schalen lässt er aus seinem Schnabel fallen. Innerhalb kürzester Zeit verschwindet ein Kern nach dem anderen in seinem Schnabel.
Eindrucksvoll konnte ich bei einem weiblichen Tier das Fressen der Sonnenblumenkerne miterleben. Dieses Tier habe ich vor zwei Jahren in meinem Garten beobachtet. Im Vergleich zum Männchen ist das Gefieder bei ihr etwas blasser.
Der Schnabel der Kernbeißer ist so kräftig, dass die Vögel damit auch Obstkerne aufspalten können. Im Übrigen ist es der einzige Vogel, der das kann. Wegen dieser besonderen Eigenschaft trägt der Kernbeißer den schönen wissenschaftlichen Namen Coccothraustes coccothraustes. Wörtlich übersetzt bedeutet er: „Kernzerbrecher“, zusammengesetzt aus dem Griechischem kokkos (der Kern) und thrauein (zerbrechen). Kernbeißer ernähren sich hauptsächlich von Samen unserer Laubbäume (Hainbuche, Rotbuche, Ahorn) und von Früchten. Sie leben versteckt in den dichten Baumkronen der Laub- und Mischwälder, wo man sie nur selten zu Gesicht bekommt. Nur im Winter, wenn die Nahrung knapp wird, kommen sie (manchmal) zur Futterstelle.
Der Winter will nicht aufhören, dicke Schneeflocken fallen und bedecken das Land. Das Gefühl, dort draußen noch einmal Kernbeißer oder auch andere Wintergäste zu erleben, lässt mich nicht los. Die Voraussetzungen sind ideal und der Wunsch noch weitere Fotos von den wundervollen Vögeln zu bekommen ist groß. Kaum habe ich mich in mein Zelt begeben, kommt bald schon ein Kernbeißer an die Futterstelle. Ich hatte das Tier zuvor schon im Apfelbaum beobachtet.
Dieses Mal ist es das Weibchen (es ist im Gegensatz zum Männchen deutlich matter gefärbt).
Auch das Männchen kommt an diesem Tag noch einige Male zur Futterstelle. Ich erkenne es an den Federn auf seiner linken Seite wieder. Der Vogel befindet sich in der sog. Ruhemauser. Abgenutzte Federn am Flügelrand werden durch neue ersetzt.
Ich genieße jeden Moment, in dem ich die seltenen Gäste beobachten kann. Wer weiß, wann und ob ich sie in diesem Winter noch einmal zu Gesicht bekomme. Es ist ein ganz besonderes Geschenk, diese Vögel zu erleben und so interessante Einblicke in ihr Vogelleben zu bekommen.